Unterwegs mit den Sanitätern der Rettungswache Achern
Starke Schmerzen und Druck auf der Brust: Eine 90 Jahre alte Frau aus Lauf braucht Hilfe. Sieben Minuten nach der Alarmierung ist die Besatzung des Notarztfahrzeugs vor Ort. Unterwegs mit den Sanitätern der DRK-Rettungswache Achern.
Bernhard Mezger steht im Rettungswagen und klappt die kleine schwarze Geldkassette auf – den „Tresor“. Eine Ampulle Fentanyl fehlt. „Im Prinzip ist das ein Opioid“, sagt Johannes Kießner. Die Verwendung muss haargenau dokumentiert sein. Als Leiter der Rettungswache des DRK Achern wird er dafür sorgen, dass das verbrauchte Betäubungsmittel wieder aufgefüllt wird. Kurz nach 7 Uhr: Auf seinem Melder geht er die Einsätze der zurückliegenden zwölf Stunden durch, die der Nachtschicht, die mit Kaffee in der Hand ihren Dienst gerade beendet. Ein Feuerwehreinsatz mit Kaminbrand in Obersasbach hatte die Kollegen in der Nacht auf Trab gehalten.
Bernhard Mezger überprüft derweil weiter seinen Arbeitsort für die nächsten zwölf Stunden. „Das kann bis zu einer halben Stunde in Anspruch nehmen“, sagt der Notfallsanitäter, während er das Ventil einer Sauerstoffflasche im Rettungswagen aufdreht. „100 und 130 Bar, das passt.“ Notfallrucksäcke, die Kindernotfalltasche, die Perfusoren, sogenannte Spritzenpumpen, all das muss überprüft werden. Rainer Antoni öffnet in der Zwischenzeit eine Klappe außen am Fahrzeug und zieht die darin befestigte Traumatasche etwas tiefer. „Ich bin halt etwas kleiner“, sagt er und lacht. Eigentlich ist er gelernter Schreiner, Erfüllung findet er jedoch jetzt in seinem Beruf als Rettungssanitäter. Demnächst will auch er die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter beginnen.
Rettungswagen 12/83-1 ist einsatzbereit, genauso wie das Notarzteinsatzfahrzeug, ein umgebauter Audi Q5, den Johannes Kießner überprüft hat und in dem er Notärztin Heike Reimling zu den Einsätzen bringen wird. Die Anästhesistin arbeitet heute abrufbereit im Krankenhaus nebenan, führt Aufklärungsgespräche vor geplanten Operationen, die meist am Tag darauf stattfinden.
7.45 Uhr: Kurzer Anruf bei Heike Reimling. Treffpunkt für die Fahrt zum Einsatz ist das Rondell vor dem Krankenhaus. 9.30 Uhr: Bei Bernhard Mezger und Rainer Antoni meldet sich der digitale Meldeempfänger. Eine Frau in Bühlertal hat akute Herzprobleme. Beide springen in den Rettungswagen, Blaulicht, Martinshorn, die Zieladresse wird von der Leitstelle direkt auf das Navigationsdisplay im Rettungswagen übertragen. Nur fünf Minuten später piepst es bei Johannes Kießner. Der Notarzt wird in Lauf gebraucht. Eine 90 Jahre alte Frau – multimorbide, also unter mehreren Krankheiten leidend – benötigt sofortige Hilfe. Da der in Achern stationierte Rettungswagen bereits im Einsatz ist, schickt die Integrierte Leitstelle Ortenau in Offenburg einen Rettungswagen aus Freistett nach Lauf. Er wird acht Minuten nach dem Notarzteinsatzfahrzeug am Einsatzort eintreffen, aber noch exakt innerhalb der vorgegebenen maximalen Hilfsfrist von 15 Minuten.
Johannes Kießner zieht den roten Stecker aus der an der Seite des Notarztwagens angebrachten Buchse. Nicht nur der Motor muss für die optimale Betriebstemperatur ständig mit Strom versorgt werden, auch die medizinischen Geräte im Inneren des Fahrzeugs. Blaues Licht zuckt über die unteren Lamellen des nach oben fahrenden Rolltors. Mit Vollgas zum Rondell, Heike Reimling steigt zu. „Man merkt vor Ort recht schnell an der Dynamik, was einen bei einem Einsatz erwartet“, sagt Kießner und schaltet das Martinshorn ein. Martinstraße, Hauptstraße und am Kreisverkehr rechts ab nach Obersasbach. Die Autos vor Kießner fahren rechts ran, auch der Gegenverkehr macht Platz, bildet eine Rettungsgasse. Es hat geregnet. Kießner drosselt das Tempo in den Kurven. Nach sieben Minuten ist das Ziel erreicht. Heike Reimling steigt aus dem Auto, Johannes Kießner öffnet den Kofferraum, wirft sich den Kreislaufrucksack, Atmungsrucksack und die EKG/Defi-Einhei tüber die Schulter. Die sind alle nach dem gleichen Prinzip gepackt, damit sich jeder Sanitäter sprichwörtlich blind darin zurechtfinden kann. Der Motor bleibt an und damit das Blaulicht zur Einweisung des nachfolgenden Rettungswagens. In der Tür steht eine Nachbarin, auch der Hausarzt, den sie zuvor gerufen hat, ist bereits da und hat der auf dem Bett sitzenden Patientin schon einen Zugang gelegt, über den sie mit Medikamenten versorgt wird.
Medikamente verabreichen darf in der Regel nur ein Arzt. Ein Notfallsanitäter verfügt lediglich über eine sogenannte Notkompetenz. Ein Umstand, der laut Kießner dazu führt, dass häufig auch bei weniger kritischen Einsätzen ein Notarzt hinzugezogen werden muss, der dann bei einem schwereren Fall fehlen kann. Die Frau auf dem Bett klagt noch immer über Schmerzen in der Brust, er sei jedoch bereits deutlich zurückgegangen. Johannes Kießner schließt ein EKG an, Heike Reimling misst den Blutdruck. „Ganz so schlimm sieht’s nicht aus, aber mitnehmen müssen wir Sie“, wendet sie sich an die Patientin. „Brauchen Sie eine Brille, die wir ins Krankenhaus mitnehmen sollten?“ Der Ehemann der Patientin sucht bereits nach der Versichertenkarte. Für die weitere Diagnostik und Überwachung muss seine Frau in die Klinik.
10 Uhr: Die Sanitäter aus Freistett bringen die Patientin mit einem Transportstuhl nach draußen. Bernhard Mezger und Rainer Antoni, die Besatzung des Acherner Rettungswagens, sind schon wieder im Einsatz. Auf dem Parkplatz eines Supermarktes in Bühl ist ein älterer Mann zusammengebrochen. Verdacht auf einen Krampfanfall. Nach der Erstversorgung bringen ihn Mezger und Antoni ins Krankenhaus nach Rastatt, das auf Herzerkrankungen spezialisiert ist. Erst am späten Mittag werden sie in die Rettungswache Achern zurückkehren. „Schätzungsweise zwei Drittel aller Einsätze haben einen internistischen Grund, also Atemnot oder Herz-Kreislauf-Probleme“, erklärt Kießner. Er zieht die Versichertenkarte durch sein Nida-Pad, eine Art Tablet-Computer, mit dem seit diesem Jahr die Einsätze schon vor Ort dokumentiert werden können, und reicht die Versichertenkarte an die Kollegen aus Freistett für deren Dokumentation weiter. Die Kosten für die Einsätze – knapp 400 Euro für den Rettungswagen und rund 600 Euro für den Notarzt – trägt die Krankenkasse. Abgerechnet werden könne der Einsatz des Rettungswagens nur dann, wenn der Patient auch in ein Krankenhaus gebracht wird.
Heike Reimling steigt in den Rettungswagen zu, setzt sich neben die Patientin. Johannes Kießner meldet sich und die Notärztin über Funk abkömmlich. „Das heißt, dass ich für einen neuen Einsatz zur Verfügung stehe.“ Kießner fährt im Notarzteinsatzfahrzeug hinterher, sodass Reimling jederzeit das Fahrzeug wechseln könnte. Doch der Melder bleibt still. Der Rettungswagen biegt in die Fahrzeughalle des Krankenhauses ein, von dort wird die Patientin in die Notaufnahme gebracht und von der Trage auf ein Bett gehoben.